Musik
Pierre Bosolum

"danzas de pesadilla"

Texte aus täglichen Träumen, aus der Schwebe gerissen. Inspiration hält inne, unausweichlich das Ende vom Sonnensystem - ein Blitz zerschlägt das fragile Konstrukt - von allen ist dieser Moment der alles Entscheidende.

Klavier, Gesang, Loop Maschine und Pauke!

Das Getriebe in jedem Stück erzeugt durch Microfon- bebeatboxung, vom Loopmasschinenstrang festgehalten und in nahezu unendlichen 7 Minuten sich selbst wiederholendes Rhythmusskribt. Das durchbrochen wird von an-sich- reibendem Schleifpapier von grober Körnung, Schlauchtubi und vergoldeten Baumarktsoundschweinen und Büchsen verschiedenster Form und Größe.

In dieser aufgetanen Welt zelebriert nun das Klavier Brüche und Wendungen, getrieben von Latin Beats und 5/8 Takten. Expressiver Gesang in Höhen und Tiefen durchschreitet traumwandlerisch die Wortendlosketten sinngebend und nehmend von allen die da sind oder noch kommen. Plötzen in plötzlichen Pfützen reflektieren Leuchtreklame. Manchmal beim Spielen fühlt es sich an wie nach der Entdeckung einer neuen Pflanzenart oder eines Hellristnings an einem Felsspalt der bisher dem Auge verborgen war und 1000 Jahre bis hierher gewartet hat.


"Klangmagier spielt Federball" (Rezension) "Er kann lauter"
(Konzertrezension)
"Klänge aus Auspuffrohr und Blechdose " (Konzertrezension) "Klangwelten kommen auch aus dem Auspuff " (Konzertrezension)

Klang-Magier spielt Federball
Pierre Bosolum zaubert mit seinem Orchester aus Alltagsgegenständen auf der Seebühne

In aller Seelenruhe zwingt ein Mann im schwarzen
T-Shirt Kunststoffbänder durch Pappwände, hängt sie auf an einem Seil, das hinter der KAOS-Seebühne von Baum zu Baum gespannt ist. So entsteht sie nach und nach, die Bühnenrückwand. Die, das offenbart sich Schritt für Schritt, nicht nur den Raum für das Konzert von Pierre Bosolum am Donnerstag Abend bildet, sondern zur Halterung wird von Scheren, Messern, Metalldeckeln, einem Federballschläger. Bosolum hantiert mit Klebeband, hängt auf was nach seiner Meinung dort zu hängen hat und scheitert bisweilen an der Schwerkraft, legt dann unverdrossen noch etwas Kleber nach. Und das Publikum darf sich fühlen wie bei einem kuriosen Atelier-Besuch - und sich fragen, was diese Versuchsanordnung mit dem Konzert zu tun hat, das hier gleich beginnen soll.

Kurz gesagt viel. Die ausführliche Antwort gibt der Künstler und Musiker Bosolum überzeugend in den kommenden gut eineinhalb Stunden. Da zaubert er als Klang-Magier aus Alltagsgegenständen Rhythmen und Melodien und singt mit einer erstaunlich variablen Stimme, die sich von heiserem Sprechgesang über röhrendes Bluestimbre bis in die Kopfstimme nach oben schraubt. Sein spannendstes Klangwerkzeug: ein selbstgebautes Saiteninstrument, aufgespannt auf einem Metallrohr, gut für metallisch klingende Akkorde, asiatisch anmutende Tonverzerrungen, Schrammelrhythmen.
Und die Texte, nicht weniger erfinderisch als die Instrumente, sind meist nur zu erfühlen, nicht zu verstehen. Bosolum bedient sich einer Fantasiesprache, die bisweilen phonetisch bei einem vernuschelten Südstaatensumpf-amerikanisch abgelauscht scheint, kurz darauf aber auch - wer will schon ahnen, mit wem Bosolum im Bunde steht - von Trollen abstammen könnte.
Das erinnert an dadaistische Lautgedichte und geht weit schwerer über die Lippen, als es sich anhört. Da passen die Silben, der Sprechrhythmus wird zum Beat. Und es steckt eine feine Komik darin, wenn Bosolum mit großem Ernst und Nachdruck in seine Klangebilde eine scheinbar erklärende Phrase in unverständlichen Worten einflicht.
Herzstück des Klangapparats - wenn man so will der Zauberstab des Magiers - ist ein Loop-Gerät. Beiläufig bedient es der Musiker, legt Schicht über Schicht. Eine geflüsterte Phrase, ein schamanischer Schrei, das helle Klicken einer zuschnappenden Gartenschere, der Anschlag an ein mit Wasser gefülltes Becken, das Surren eines kleinen Ventilators. Dazu greift er immer wieder in die Tasten seines E-Pianos oder zur Gitarre. Zumindest diese beiden konventionellen Instrumente lässt Bosolum zu, spielt Akkordfolgen, findet zu Melodien, singt dazu. Das ist oft gefällig, melodiös, nimmt den Hörer mit jenseits der Faszination über die ungewöhnliche Genese der Musik. Das klingt in den rundesten Momenten, als sänge Joe Cocker zu neuen Soundtüfteleien von Moby.
Wenn's zu rund wird, folgt der nächste geniale Unfug. Bosolum spielt mit sich selbst Federball. Ein Tonabnehmer am Schläger sendet die Treffer an die Boxen. Dabei gerät auf der engen Bühne einiges durcheinander, ein Mikrofonständer stürtzt. Ein wenig unbeabsichtigter Slapstick eben - eingewoben in einen erfrischenden musikalischen Abend zwischen Kinderei und Genialität.

Dimo Rieß


Leipziger Volkszeitung, 28.Juli 2012

Klänge aus Auspuffrohr
und Blechdose

MUSIK Zwischen
Geräusch, Melodie und Improvisation - das Leipziger Multitalent Pierre Bosolum gibt ein faszinierendes Konzert in der kühlen Marienkirche

Von OLIVER SPITZA

PRENZLAU. Wer am Hitze-Sonnabend auf Fußball-WM oder Grillfest ver-zichtete und stattdessen um 20 Uhr den Weg in die Marienkirche fand, wurde doppelt belohnt. Denn die Kirche war angenehm kühl. Und in ihr erklang eine ganz ungewöhnliche Musik. In der Reihe "Prenzlauer Kirch Töne" war das Leipziger Multitalent Pierre Bosolum mit seinem Programm Goofant zu Gast. Der studierte Kulturwissenschaftler hat über "Die abstrakte Komposition" diplomiert. er malt, komponiert, musiziert. Und baut seltsame Musikinstrumente. Aus einem alten Auspuffrohr, mit einer Gurkenblech-dose als Resonanzkörper verschweißt und mit vier Saiten bespannt, hat er eine Art Sitar (indisches Zupfinstrument) gebastelt.

Pierre Bosolum spielt, der Dank, als Ein-Mann-Orchester sechs Instrumente parallel. Seine Kompositionen tragen so seltsame Namen wie "Die wunderbare Stille des heranreifenden

Kreuzrippengewölbes". Es scheppert, klappert, läutet knistert, klopft, tutet, stampft, trommelt. Daraus wächst ein ganz ungewöhnlicher Klangteppich. Hauptsächlich sitzt Pierre Bosolum am Elektropiano, ab und zu springt er auf und bringt sein ungewöhnliches Sammelsurium an Instrumenten Marke Eigenbau zum Klingen und Schwingen, den "Rest" macht eine Live Loop Maschine, die alle Geräusche in Endlosschleifen mischt, sortiert trennt und wiederholt.

Dazu die wandel- wie wunderbare Stimme des Leipzigers in einer offensichtlich ausgedachten Sprache. Sie flüstert, gurgelt, improvisiert, schreit, spricht, singt oder echolotet skurrile Texte. Man muß sich auf diese faszinierende Mischung aus Schamanengesang, Kirchenlied, aus Pink Floyd und Jazzimprovisation einfach einlassen, dann erschließen sich Geheimnis und Schönheit solcher mystischen Klangwelten. "Ich bin von der Fülle an Kreativität und Musikalität völlig begeistert", freute sich Gastgeber und Kirchenkantor Hannes Ludwig über diese abendliche musikalische Entdeckungsreise.

Uckermark Kurier, 13.Juli 2010
Prenzlau, Juli 2010 St.Marien

Backdrop: Figurengruppe frei nach W. A.
Bouguereau "La vierge au lys"
gemalt von Luisa Demmig

Leipzig, Juli 2009 Luftbad im Kosmoshaus

Er kann lauter
Selbst gebaute Instrumente, Schamanen-Gesänge und ein wenig vom Geiste Helge Schneiders:
Pierre Bosolum im Salon Luftbad

Von Leipzigs schönster Open-Air-Bühne, gelegen auf dem Balkon der Kosmoshaus-Sauna eingangs der Gottschedstraße, genießt der Betrachter eine wunderbare Aussicht auf die Innenstadt. Nach dem Beginn des Konzerts von Pierre Bosolum sind Optik und Gehör jedoch komplett vom künstlerischen Geschehen in Anspruch genommen.

Von LARS SCHMIDT

Bosolum, studiert in Kultur, Kunstwissenschaft und Musik, fungiert seit 20 Jahren als Grenzgänger im Niemandsland zwischen Geräusch, Klang und Improvisation. Gleichzeitig entfaltet er sich in abstrakter und Aktionsmalerei. Musikalische Basis für sein Ein-Mann-Orchester "Groofant" sind ein elektrisches Klavier, eine große Trommel, ein wunderliches Sammelsurium selbst gebauter Instrumente (beziehungsweise Geräusch Emitter) und vor allem eine Live-Loop-Maschine. Kurze Verbal Sequenzen, ein Schrei, ein Gurgeln oder Trommelschläge werden von dieser sofort gesampelt und laufen als Tonschleifen im Hintergrund. Bosolum generiert immer neue dieser Sequenzen, die er zunächst übereinanderlegt, dann aufeinander türmt - er erhält so eine rhythmisch komplexe, gelegentlich kakophone Grundstruktur als dichten Teppich für seine faszinierende Vokal-Akrobatik.
Sein Organ ist verblüffend wandlungsfähig und expressiv. Die Sprache täuscht manchmal ein englisches Idiom vor, tatsächlich ist sie völlig künstlich. "Skurrile Texte aus dem Erdinneren" nennt er das, es klingt wie eine Mischung aus schamanischen Gesängen und Helge Schneider. Gelegentlich setzt sich der Meister ans Klavier und siehe, auch zu anmutigen Harmonien ist er fähig. Doch nicht lange, dann springt er wieder wild zwischen Mikrophonen, Instrumenten und der Leinwand in seinem Rücken hin und her. Die verwandelt er während der Performance mittels Gaffa, einer Papierrolle und diversen Eddings in ein knisternd- fragiles Kunstobjekt.

Interessant sind vor allem die selbst gebauten Instrumente, allen voran das Xoxtar, eine Art Sitar auf einem Auspuff mit einer Blechdose als Resonanzkörper. Man kann es zupfen, aber auch auf den Boden schlagen, es wie ein Waschbrett spielen oder die Stahlspitze geräuschvoll auf einen Blechteller rammen. Bosolum schafft das irgendwie alles gleichzeitig. Sehr witzig kommt der elektronische Badmintonschläger, der hübsch klingt, wenn ihn der Federball trifft. Bosolum spielt dieses sportive Instrument durchaus anmutig bis er den Klangball in der Dachrinne versenkt. Als sich die Glocke der Thomaskirche gegen den ungewohnten Pegel aus dem Salon Luftbad zur Wehr setzt, antwortet der Künstler selbstbewusst mit seinem Becken: Er kann lauter.
In der Tat kulminieren die Stücke regelmäßig in energetische Klangorgien, Bosolum geht völlig aus sich heraus und versinkt dabei im eigenen Geräuschorkan. Die Technik verhindert meist das Schlimmste und kollabiert gnädig, bevor es die Gehörgänge der Gäste tun. Dann erwacht der Meister aus der Trance und die Stimme aus dem Erdinneren sagt: "Scheiße". Hilfsengel Gunter muss ran und flicken, was bald wieder extatisch zerstört wird.
Im Publikum wechseln Erstaunen und Entsetzen, man grooft begeistert mit oder kichert entspannt. Keiner langweilt sich bei den weit über zwei Stunden dieser Performance, Pierre Bosolums fast greifbares Charisma nimmt die Zuschauer einfach mit. Höchst vergnügter Beifall am Ende (die Technik streikt jetzt komplett) und ein Ausklang mit traumhaftem Rundblick.


Leipziger Volkszeitung, 29.Juli 2009
Leipzig, April 2008 Museumsnacht im Völkerschlachtdenkmal
Zeitz, April 2008 St. Stephanskirche

Klangwelten kommen auch aus dem Auspuff
Pierre Bosolum gibt "Groofant-Konzert in der Stephanskirche

von Angelika Andräs
Zeitz/MZ.

Man vergisst, wie fröhlich Musik sein kann. Musik, Klänge, manchmal auch nur Geräusche. Und vor allem ahnt man ja gar nicht, womit man das alles erzeugen kann. Nicht "man" sondern Pierre Bosolum, der verrückte Musiker aus Leipzig. Der kann das. 32 Rohre zu einer Orgel verbauen und als Trommel eingesetzen, einen Badmintonschläger mit Tonabnehmer zum Klingen bringen. Und dann ist da noch ein alter Auspuff, umgebaut in einen sitarähnlichen "Xoxtar", der sich tontechnisch gut einsetzen läßt. Bosolum dirigiert dieses skurrile Orchester und bringt es selbst zum Klingen. Jeder Titel ist Überraschung, ist Spass am Klang, der entspanntes Lachen und ein gutes Gefühl erzeugt. Und dann ist da noch die Überraschung, wenn Bosolum noch ein anderes Instrument einsetzt, seine Stimme nämlich. Die ist wandlungsfähig, spielt bei Improvisationen und kreativen Einsätzen voll mit. Wobei die Nummern am Klavier, meist mit Gesang, die Ruhepunkte sind. Zwischen kreativen Höhenflügen von mitunter ungewissem Ausgang darf sich der Zuhöhrer dann erholen. Oder besser gemeinsam mit Bosolum neuen Anlauf zur nächsten Entdeckungsreise nehmen. Der Abend in der Stephanskirche ist Pfarrer Köppen zu verdanken. Er und Bosolum kennen sich seit zehn Jahren. Irgendwie wurde es da Zeit für dieses Konzert. Und irgendwie auch für das Duett des Abends. Das Publikum darf sich auch was wünschen", meinte Bosolum nämlich, "zum Beispiel ein Duett mit dem Hausherrn. "Wer das, den gelungenen Abend und damit ein wundervoll klangvolles Erlebnis, verpasst hat, kann Pierre Bosolum zur Museumsnacht in Leipzig am 26. April im Völkerschlachtdenkmal erleben.

Mitteldeutsche Zeitung, 17 April 2008

backfish

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